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AUFGABEN DER GEMEINSCHAFTSBILDUNG IN

AFRIKA

VON D. BRUNO GUTMANN

[Summaries of this article in French and English appear on pp. 507 and 511.]

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WENN sich noch vor zwanzig Jahren die Abkömmlinge verschiedener Stämme in der Steppe Ostafrikas begegneten, gingen sie teilnahmlos aneinander vorüber, ja wohl noch erfüllt mit einem Gefühle gegenseitiger Ablehnung. Das hat sich völlig gewandelt, und gerade die Bewohner der Steppen sind es, die das ihnen begegnende Glied eines altangesessenen Bergstammes fragen: wer bist du? Und wenn der auf ihre Frage antwortet: ich bin ein Christ, dann laden sie ihn freundlich ein zum Niedersitzen mit dem Rufe: karibu karibu, tuzungumze: tritt näher, wir wollen uns besprechen.

Es ist bezeichnend, dass der Angeredete auf die Frage, wer bist du, nicht mit seinem Namen antwortet, auch nicht mit der Bezeichnung seines Stammes oder seiner Landschaft, sondern sich zu seiner Glaubens- und Weltanschauung bekennt. Der Afrikaner weiss, dass sich die entscheidende Weiterbildung seiner Persönlichkeit in der Religion vollzieht und auch das Weiterwachsen des Gemeinschaftslebens über den Stammesbereich hinaus eine Frage der Weltanschauung und des Glaubens ist. Und der Fragende ist keineswegs über diese Antwort befremdet, sondern hat sie offenbar erwartet und hält sich an den Antwortenden als erhoffe er von ihm Hilfe gerade nach diesen zwei Richtungen hin. Nichts interessiert ihn an dem Gefragten als Einzelwesen, sondern er ist ihm wichtig als Mitträger jener Bindemacht, auf die jetzt Afrika seine Hoffnungen setzt, des Christentums. Gerade die aus allen Himmelsrichtungen in den Neusiedelungen der Steppe zusammengewehten Stammestrümmer haben das grosse Verlangen, aus regellosen Haufen wieder organische Gebilde zu werden und fühlen, dass im Christentume ihnen die Kraft dazu geschenkt wird.

Wenn nun jetzt in Ostafrika ein führender Europäer etwa eine Stammesversammlung, in der die geistig führende Schicht christlich

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ist, fragt: wer seid ihr? dann bekommt er mit grösster Wahrscheinlichkeit die Antwort: wir sind Christen. Und es ist auch mit einiger Sicherheit anzunehmen, dass der Europäer, gerade wenn er von der neuen, das Volkstum bis zu einem gewissen Grade anerkennenden Richtung beeinflusst ist, ihnen etwa antwortet: Ich wollte nicht wissen, was ihr sonst noch seid, sondern was ihr in erster Linie seid. Und in erster Linie seid ihr Afrikaner. Christen könnt ihr immer erst in zweiter Linie sein.

Kein Kundiger wird leugnen, dass dies der echte Ausdruck des europäischen Bildungswillens ist. Der Gestaltungswille des Europäers ist im Gemeinschaftsleben heute ganz auf die Nation eingestellt und sieht ihre ideale Form im Rechtsstaate. Die Religion aber hat darin eine durchaus dienende Stellung, worin sie nach zwei Seiten hin allerdings unentbehrlich ist: sie ist das beste Mittel, um das Verantwortlichkeitsbewusstsein gegen das Staatsganze wirklich in allen zu erwecken und anzusprechen, und darüber hinaus unentbehrliche Werte für die Persönlichkeitsbildung zu erhalten, für die sonst im Gebundensein an die Gleichförmigkeiten des modernen Lebens kein Nährboden mehr vorhanden wäre. Bei der Übertragung dieses seines Bildungswillens auf das tropische Afrika unterläuft ihm aber ein verhängnissvoller Fehler. Während er nämlich für sein eigenes Gemeinschaftsleben die Individuationen der weissen Rasse als die entscheidenden, alle anderen Beziehungen bestimmenden Einheiten ansieht, verweist er die Bewohner Afrikas für ihr Verlangen nach dem Ausdruck von Gemeinschaft darauf, dass sie Afrikaner seien. Dazu bestimmt ihn nicht der Wunsch, ihnen eine Entwickelungsstufe zu ersparen und sie vom Leben in primitiver Gemeinschaft sofort zu einer menschheitlichen Gemeinschaft emporzubilden, vom Boden der rassigen Zusammengehörigkeit aus, denn derselbe Mann ist weit davon entfernt, seine Bindung an eine Volksindividualität als eine Hemmung zu beklagen oder aufzugeben. Sondern im Vergleich zu seiner eigenen Rasse scheinen ihm die äusseren Zeichen der Zusammengehörigkeit der Einwohner Afrikas so stark zu sein, dass er sich im vollen Rechte glaubt, wenn er hier einfach den Begriff des Afrikaners zur Grundlage nimmt, ohne zu spüren, dass diese Vorstellung von einem Kontinentalmenschen, den er als

zu weit für sich selber und seine Gemeinschaftsbedürfnisse ablehnen würde, auch wie ein riesiger leerer Ring über die Küsten Afrikas hinaus in die Meere versinkt und dass die zur Erdteilbürgerschaft Aufgerufenen ihn verständnislos anschauen.

Eine nur scheinbare Rechtfertigung für den Versuch, die Erdteilbürgerschaft zur Aufbaugrundlage für die Fortbildung der Gemeinschaft für die Afrikaner zu benutzen, ist die Tatsache, dass ihr Gemeinschaftsleben nirgendwo über Stammesverfassungen hinaus fortgeschritten ist. Hierin wird ein Mangel an Kraft zur Individuation gesehen, der es rechtfertigen soll, das Zusammenfügen der afrikanischen Menschenwelt vom Individuum und seiner Massenhaftigkeit aus,- denn nichts anderes bedeutet ja die Postulierung des ‘Afrikaners', - zu versuchen. Aber diese Auffassung ist doch eine Wertung, die eben nur von dem europäischen Gemeinschaftsgefühle her, das sich an Nationen bestimmte und darüber das Gefühl für die Kraft der natürlichen organischen Bindungen verlor, ihre phaseologische Berechtigung hat. Es dürfte heilsamer sein, dieses Beharren der afrikanischen Völker in der organischen Bindung als das Kennzeichen einer besonders kräftigen Eigengestalt ihrer Volksseele aufzufassen und sich davon bei der Mitarbeit im Weiterbau ihrer Gemeinschaft bestimmen zu lassen. Wie stark hierin Klima und Landschaft mitgewirkt haben, bleibe dahingestellt. Jedenfalls sind diese klaren und zusammengreifenden Formen gliedschaftlichen Lebens, und das Erwachsen der Einzelseele zu einem mitverantwortlichen zuchtvollen Leben aus natürlichen Führungsgruppen, der entscheidende geistige Besitz der Afrikaner. Wer ihnen wirklich zu segensreicher Weiterentwickelung und einem für beide Seiten dauernd erspriesslichen Miteinander der Rassen verhelfen will, der muss diesen Eigenbesitz der Afrikaner anerkennen, ja zum Ausgangspunkte aller Bemühungen machen.

Für die Lösung der Fragen des Weiterbaues und Ausbaues der Gemeinschaft der Afrikaner hat man zwei Wege zur Wahl. Man kann den Afrikaner auf unsere Seite bringen, dass er unsere Voraussetzungen übernimmt und vom individuell-organisatorischen Standpunkte aus am Gesellschaftsbau mitarbeitet. Hier wird er aber immer so unsicher bleiben wie einer, dem diktiert wird. Man kann aber auch

versuchen, mit seinen Augen die Gemeinschaftsfragen anzuschauen und sich auf seine Seite stellen. Das würde den Europäer nicht unsicher machen, weil er damit zugleich in das Entstehungsgebiet seiner eignen Seele wieder zurückkäme. Und allein von hier aus verstünde er den Afrikaner recht und käme dazu, seine Wertungen zu würdigen. Dann müsste er aber sowohl die Erdteilbürgerschaft fallen lassen als auch die Zurückschiebung des Christentumes in die zweite Linie. Er würde nämlich von der Seite des Eingeborenen her mit Staunen wahrnehmen, dass von seinem Gesichtspunkte aus Art und Glaube nicht wie zwei Reiche auseinander liegen, sondern wie Erde und Sonne zusammengehören. Wie sie ihre Bindungen an die Erde noch ganz abhängig fühlen von Himmel und Sonne, sodass sie über den ganzen Erdteil hin einen einheitlichen primitiven Monotheismus haben, der sie als eine geistige Einheit erkennbar macht, so sind ihnen auch die Zusammenhänge mit anderen Menschen, in die sie hineingeboren und durch die natürliche Entfaltung ihrer Leibes- und Seelenkräfte hineingezogen werden, die eigentliche Innenwelt, in der sich Kräfte auswirken, die von Gott herkommen. Das ist der tiefe Sinn in der Gestalt des Himmelsmenschen oder Himmelssohnes, den z. B. die Wadschagga als den Vermittler und Schutzherrn aller geneonomischen Beziehungen ansehen.

Wir haben es in Afrika mit einer geistig stillen Grösse über dem ganzen Erdteil hin zu tun, die die Einzelwesen zu einem lebendigen Organismus vergliedert, der in den kleinsten Aufzuchtgruppen und Lebenskampfkameradschaften die Fähigkeit erzeugte, den Zusammenhang mit den Generationen und mit den überirdischen Gestaltern menschlicher Schicksale zu erfühlen und ihm sich zu beugen. In eine solche noch ganz organisch aufgebaute Menschenwelt treten nun die meisten Europäer hinein als Menschen, die von einem ganz anderen Aufbautriebe erfüllt sind, dem der Zivilisation. Das hat dieselbe Folge wie der Eintritt artfremden Eiweisses in die Lebenssäfte unseres Körpers: sie werden vergiftet!

Die Träger der Zivilisation fallen die Einzelmenschen im afrikanischen Menschenverbande an und wollen als Erzieher oder Arbeitgeber sie von ihrem Ideale abhängig machen, das den Menschen auf die äussere Leistung hinlenkt und Körper und Seele als Instrumente

des Fortschrittes und Erwerbs ansehen lehrt, im besten Falle als Ausdrucksmittel der Selbstdarstellung und Selbstverfeinerung. Das bedeutet aber soviel als ob man einen Körper in seine Zellen zerfällen wollte, um ihn nachher anders wieder zusammenzusetzen. Das wollen wir ja auch! Zusammensetzenlassen sollen sich diese Leutlein wieder und sogar in ein unendlich grösseres Gebilde, das von staatsbürgerlicher Gesinnung erfüllt ist. Als eine rein sachliche Aufgabe, wie eine Betriebsumformung und Rationalisierung sieht sich vom Standpunkte der Zivilisation aus das an. Der Eingeborene aber steht auf der anderen Seite, auf der religiös-persönlichen. Er sieht Menschen einer überlegenen schöneren Rasse und denkt an Gott und Bindung. Er sucht den Europäer selber, seine Gemeinschaft und seine Art und kommt darüber bald in die grösste Not, die am Ende in Hass umschlägt, weil er seine Haut und Gestalt nicht wandeln und anpassen kann. Da ist es ihm die Erlösung, wenn er im Europäer nicht das Bessere, sondern das Andere erkennt und über ihn und sich die einigende, in ein höheres Lebensgebilde zusammenschliessende Macht: den Christenglauben! Das ist ihnen die Botschaft von dem neuen Reiche, das das Leben nicht aus den Urformen heraustreibt, um es in fremde Formen umzugiessen, sondern das aus den Urformen selber das Höchstgebilde auferbaut, indem es den Geist von oben in sie leitet und aus ihnen heraus zur Auseinandersetzung mit anderen gleichen und höheren Gebilden befähigt.

Man will jetzt den Eingeborenen Ostafrikas das Wort und den Begriff Zivilisation übersetzen und gebraucht dazu das Wort ustarabu. Ustarabu bedeutet: die Religion und die Sitten der Araber annehmen, mit anderen Worten: ein Araber werden, sich hineinziehen lassen oder freiwillig hineinbegeben in die Arabisierung, durch welche einem Volke die eigene Gestalt genommen und es in Sprache, Kleidung, Lebensgewohnheiten und Rechtsanschauungen in die arabische Form umgemodelt wird. Dieses ustarabu bedeutet also die Auslöschung einer Volksindividualität. Aber immerhin handelte es sich dabei nicht um eine Zerstörung der persönlichen Werte an sich. Denn der Arabisierte war nun vollberechtigtes Glied dieses Volkes, trat durch seinen Übertritt in Ess- und Blutsgemeinschaft mit ihm und fühlte sich in seinem Menschentume selber erhöht durch die weiterreichen

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